Spürt Wandel.
„Wir schauen von Tag zu Tag neu, wie wir das gebacken kriegen, im wahrsten Sinne.“
Erst das ‚Abstand, bitte‘-Schild auf den Café-Tischen. Dann eines an der Tür, das die Öffnungszeit beschränkt. Und daneben ein Neues: ‚Wir haben geschlossen.‘ Es geht Schlag auf Schlag in den Verkaufsstellen und Cafés der Bäckerei, ihrer Bäckerei: Corinna Müller-Suszek weiß um die Verantwortung, die sie nun trägt. Vor allem gegenüber ihren Mitarbeitern, die sie sehr schätzt. Im Team haben sie geschaut, wer mit Kurzarbeit leben kann – und wer kann, überlässt anderen Kollegen die Arbeitsstunden, die diese und das Geld nun dringender brauchen.
„Unsere Chance ist es, jetzt nach vorn zu sehen: Was möchten wir künftig anders machen?“
Aus der neuen Not ergeben sich neue Einsichten, findet Corinna. Das bargeldlose Zahlen, das nun von der Regierung ausdrücklich empfohlen wird, kommt Brunnen-Müller zu Gute. Das zahlt sich aus. Denn Banken wollen kein Bares mehr annehmen, nehmen dafür Gebühren. Nicht nur darin sieht Corinna Müller-Suszek eine neue Möglichkeit, Abläufe zu verbessern: Die Verkaufsstelle in Bothel, die bis 20 Uhr öffnet, wird auch mit der Begrenzung bis 18 Uhr gut angenommen. Und die Mitarbeiter haben früher Feierabend. Reicht es nicht so? Muss man alles ausreizen?, fragt sie sich.
„Generell, muss es immer mehr, höher, weiter, schneller sein? Oder haben wir’s vergeigt?“
Vielleicht ändert sich die Welt gerade ein Stück weit zum Positiven, überlegt Corinna. Der Alltag wird, nach geschaffter Umstellung, ruhiger. Die Menschen werden ruhiger. Wichtige Gedanken werden lauter, zumindest ist das bei ihr der Fall. Zeigt die Umwelt uns, dass wir so nicht weiter machen können? Und sollten wir uns nicht freuen, wenn sich in Venedig plötzlich Delfine vorwagen und wenn der Himmel ‚flugzeugstreifenlos‘ ist? Verzicht zu lernen rückt in den Vordergrund, mit einem Mal.
„Alles, was man erhalten möchte, das muss man unterstützen.“
Wir kriegen das mit der Krise in den Griff, ist sich Corinna Müller-Suszek sicher, aber wir müssen uns anstrengen. Lokal und regional zusammenhalten, vor allem jetzt. Gut findet sie, was Bäcker Bosselmann mit seinem viralen Video ausgelöst hat – Aufmerksamkeit und verdiente Wertschätzung für die Bäcker, die ebenso wie andere der Lebensmittelbranche derzeit hart daran arbeiten, ein wenig Normalität in den Alltag der Menschen zu bringen. Davon können wir uns eine Scheibe abschneiden.
So empfinde ich diese Zeit:
Surreal. Unterschwellig bedrohlich. Aber: auch chancenreich. Wir haben Zeit, uns zu besinnen. Nachzudenken über unsere täglichen Strukturen, ob sie zu dem passen, was wir eigentlich wollen.
Angst macht mir:
Wovon wir in diesen Zeiten nichts hören. Corona ist in aller Munde, aber was ist plötzlich an Orten und bei den Menschen los, über die keiner mehr berichtet, in den Flüchtlingslagern zum Beispiel?